Die erste Eigenschaft des Genius ist Originalität.
Richard Teschner ist ein in weiten Kreisen bekannter Künstler. Man kennt ihn als den überkultivierten Österreicher, als den Sohn eines Landes von uralter, hoher, künstlerischer Vergangenheit, eines Landes, das Blutmischung und Blutdurchkraftung von Völkern ermöglicht, die alle künstlerisch begabt sind. In ihm scheinen sich die künstlerischen Gaben Österreichs alle zu vereinigen. Er ist der Vielbegabte, ist Maler, Bildhauer, Radierer, Musiker und auf seine Weise Dramatiker und Schauspieler.
Zu dieser Begabung tritt eine umfassende handwerkliche Fähigkeit, die gründliche Meisterschaft in vielen Handwerken gleichkommt. Tüchtigkeit, Ausdauer, Fleiß, ein klarer Sinn, die Gabe der Improvisation, des Erfindens, Konzentration, geschlossener Wille und festes Am-Bodenstehen, ein klarer Blick und Sinn, hohe Phantasie und Freimut, Geradheit bis zum derben und unerschöpflichen Humor. Damit hat die Natur, das Land, die Volkszusammengehörigkeit die Persönlichkeit Teschners ausgestattet. Das ist das Erbe seiner Väter.
Mit diesen Fähigkeiten und Gaben, die er stetig ausbaut und steigert im Gang seiner Entwicklung, kann seine Individualität wie mit einem Werkzeug wirken. — Diese Individualität — dies konnte man bei der Vorführung der geschlossenen Reihe seiner Werke in der Wiener Ausstellung erleben — diese Künstlerindividualität hat Zugang zu einer Seelen- und Geisteswelt, die uns andern verschlossen ist. In sie wächst sie hinein, ringend und strebend. Von ihren Wesenheiten gruppiert sich um sie, was ihr jeweilig verwandt ist, wahlverwandt, Wesenhaftes, zu dem sie gerade Beziehung hat, zu dem sie „Du“ oder „Ich“ sagen kann, dunkle Sphären zunächst und lichtere, Sphären der Leidenschaft, der Triebe, des Begehrens, Gespenster, Gnomen, Salamander, Drachen, Magier, Prinzen und Prinzessinnen, Zaubergärten und Märchenschlösser, soweit sie selbst noch in der niederen Ichheit verstrickt ist, in ihrem Wünschen und Begehren.
So ist er der Romantiker, als den man ihn bisher kannte und liebte, weil man sofort die Beziehung zu ihm herstellen kann, aus der eigenen Verstocktheit der Seele heraus, weil diese Kunst so süß einschläferte, ablenkte von der Wirklichkeit des Lebens und dazu noch so liebenswürdig und eigenartig war.
Nun zeigt die Wiener Ausstellung den neuen Teschner. Er ringt sich durch zu höheren, reineren Sphären. Er stößt in die Sphäre des Geistes. Zunächst wird sie in Gedankenfomien künstlerisch erfaßt. Die drei Kulturrassen werden hinausgestellt. Sie sind ein gewaltiger Sprung aus seiner Romantik heraus. Sein altes Grundproblem „Wie kann ich Leben gestalten“ sucht sich auch hierin, wie so oft in der Zeit der Romantik die Antithese. Aber nun gilt es der Lebenswirklichkeit.
Teschner ist einer von den Deutschen, die ihre Zeit nicht verschlafen haben. Er schaut der Gegenwart geradezu ins Gesicht. Am bewirkenden geistigen Leben der braunen Rasse (Buddha), am regsamen gestaltenden, sozialen Leben der gelben Rasse (Konfuzius), erlebt er als den Gegensatz, als die Erstarrung,die geistig seelische Sterilität der weißen Rasse der Jetztzeit, die ganz und gar in die Mechanisierung, in Entseelung und Entgeistigung geraten ist. Wohin wir geraten sind, kann nicht eindringlicher gezeigt werden, als durch den Repräsentanten der weißen Rasse mit seinen leeren Augen. — Ich bin der Weg, das Leben und die Wahrheit. — Dieses „Ich bin“ ist nie in schrecklicherer Weise ans Kreuz geschlagen worden, als in der weißen Rasse. — „Die drei Kulturrassen“ sind der erste Auftakt der neuen Epoche. Sie stellen einen Erlebnisakt dar, an dem das Gehirn als Fragelöser beteiligt ist. Echte Geisterlebnisse werden in der Folge immer reiner aus der Erlebenswelt herausgestellt.
Die Ausstellung zeigt die Reihe: Wiedergeburt, Sonnenland und den Zyklus Feuerelement, Wassergeist, Imagination und Nachtschauer.
Die Wiedergeburt mag als das Ergebnis des Erlebens der aufziehenden Sternenwelt, des Kreislaufes des kosmischen Werdens erfühlt sein, der Zyklus die Expression des Erlebens der vier Elemente und zugleich in dieser Schau, der vier Temperamente.
In dem Maße, in dem sich die Künstlerindividualität ringend einlebt in die Welten, aus denen sie gespeist wird, aus denen sie sich ihre künstlerischen Imaginationen und Intuitionen holt, die sie einprägt unter Schmerz und Lust in die sinnliche Wirklichkeit des Kunstwerkes, in demselben Maße ringt auch die Künstlerpersönlichkeit nach Formelementen, nach Ausdrucksmitteln. Die romantische Zeit hat ihre Entsprechung in dem „Nichtzurruhekommen-können“ in einer bestimmten Technik.
Der damalige Lebensinhalt will sich in Prunk ausleben, er sucht das Erhabene in Größe und Mannigfalt. Teschner langt nach allen bildsamen Stoffen, nach allen Ausdrucksmitteln, verbessert die gegebenen Techniken, erfindet sein Radierverfahren, die „Handtonätzung“, lernt Speckstein färben, baut seine eigene neue Laute, schafft sich seine Temperatechnik und lebt in der Puppe seiner Figurenbühne. — Die neue Entwicklungsstufe, in der Teschner die Kulturrassen hinstellt, bringt auch die technische Beschränkung. Sie sind als Kohlenzeichnung ausgeführt. Teschner hat nun auch sein Bildformat gefunden und sich für Tempera entschieden. Die Farben seiner Temperabilder sind so rein, daß sie nun als Farbwert an sich Träger des geistig-seelischen Erlebens sein können. Aber auch sein ureigenstes Ausdrucksmittel, sein eigenstes Mittel der Expression ist zu einem gewissen Abschluß gekommen — die Puppe -seiner Figurenbühne…..